Sonntagsschule / Kindergottesdienst. Machen wir das wirklich fair und gut?
Früher, als ich noch jung war, ging ich natürlich zur Sonntagsschule / Kindergottesdienst. Mit dem Ziel dieser Kindergottesdienste ist nichts verkehrt:
Während des Kindergottesdienst wird oft eine Bibelgeschichte erzählt, manchmal mit Bastelarbeiten, Liedern oder anderen kreativen Umsetzungen. Das Ziel ist es, den Kindern zu helfen, die biblische Botschaft besser zu verstehen und auf eine Weise darüber nachzudenken, die ihrem Alter entspricht.
Auch ich ging selbst, unter der Woche, noch zu einer Art Sonntagsschule, wo auch Geschichten aus der Bibel erzählt wurden (und man bastelte auch!). Ich fand diese Geschichten immer super spannend und freute mich immer darauf. Es gab immer ein „Flanellbrett“ (für die jungen unter uns: eine große Tafel, auf der Bilder über die Geschichte geklebt wurden. Heute würden wir die Bilder auf einem Beamer projizieren) mit den schönsten Bildern zu dieser Geschichte.
Aber je älter ich werde… desto mehr muss ich die Geschichten von damals wieder verlernen, denn kurzzeitig waren sie wunderschön, aber langfristig haben sie mir nicht geholfen. Im Gegenteil: was für ein Elend hat es gebracht.
Lass mich das so erklären, die Geschichte aus der Sonntagsschule (ich werde einige Bilder hinzufügen) ging ungefähr so:
Paulus und Silas waren unterwegs und erzählten allen Menschen von Jesus. Die meisten Menschen hörten gut zu, aber leider…

Es gab auch böse Menschen… und die warfen Paulus und Silas ins Gefängnis.
Man würde denken, dass Paulus und Silas jetzt Angst hatten, aber nein! Das hatten sie nicht! Sie sangen sogar Lieder im Gefängnis, weil sie sich über Gott freuten.

Und dann kam ein Erdbeben, und die Türen des Gefängnisses gingen auf! So wurden sie frei und erzählten noch viel mehr über Jesus.
Die Moral der Geschichte: Du musst also auch allen anderen Menschen von Jesus erzählen, und Gott wird dich immer beschützen!
Und sie lebten noch lange und glücklich.

Und durch die Art und Weise, wie die Geschichte erzählt wurde und die Bilder, die gezeigt wurden, war dies mein Kinderbild von Paulus und Silas im Gefängnis: (die Geschichte geht unter dem Bild weiter)

Wundervolle Geschichte!
Bis ich selbst auf dem Schulhof zusammengeschlagen wurde, weil ich meinen „Freunden“ von Jesus erzählte. Mein „Gefängnis“ war nicht schön, mein „Gefängnis“ ging nicht auf, mein „Gefängnis“ tat wirklich weh. Das echte Bild sah nicht so aus wie in der Sonntagsschule, sondern war wirklich anders. Es ist nicht schön in diesem „Gefängnis“… Und ich war nicht so froh wie Paulus und Silas, singen und sich darüber freuen? Ganz sicher nicht! Also war ich ein schlechter Christ und mein Glaube war nicht so gut wie der ihre. (Punkt)
Zeit, einige Verse zu nehmen, wie sie wirklich in der Bibel stehen:
Auf dem Weg zur Gebetsstätte begegnete uns eines Tages eine Sklavin. Sie war von einem Dämon besessen, der sie wahrsagen ließ. Auf diese Weise brachte sie ihren Besitzern viel Geld ein. Die Frau lief hinter Paulus und uns anderen her und schrie: »Diese Männer sind Diener des höchsten Gottes und zeigen euch, wie ihr gerettet werden könnt!« Das wiederholte sich an mehreren Tagen, bis Paulus es nicht mehr ertragen konnte. Er wandte sich zu der Frau um und sagte zu dem Dämon: »Im Namen von Jesus Christus befehle ich dir: Verlass diese Frau!« In demselben Augenblick verließ der Dämon die Sklavin.
Als aber ihre Besitzer merkten, dass sie mit ihr nichts mehr verdienen konnten, packten sie Paulus und Silas und schleppten die beiden auf den Marktplatz zur Stadtbehörde. »Diese Männer bringen unsere Stadt in Aufruhr«, beschuldigte man sie vor den obersten Beamten der Stadt. »Es sind Juden! Sie wollen hier Sitten einführen, die wir als römische Bürger weder befürworten noch annehmen können!« Da stellte sich die aufgehetzte Menschenmenge drohend gegen Paulus und Silas, und die obersten Beamten der Stadt ließen den beiden die Kleider vom Leib reißen und sie mit Stöcken schlagen. Nachdem sie so misshandelt worden waren, warf man sie ins Gefängnis und gab dem Aufseher die Anweisung, die Gefangenen besonders scharf zu bewachen. Also sperrte er sie in die sicherste Zelle und schloss zusätzlich ihre Füße in einen Holzblock ein.
Gegen Mitternacht beteten Paulus und Silas. Sie lobten Gott mit Liedern, und die übrigen Gefangenen hörten ihnen zu. Plötzlich bebte die Erde so heftig, dass das ganze Gefängnis bis in die Grundmauern erschüttert wurde; alle Türen sprangen auf, und die Ketten der Gefangenen fielen ab.
Aus dem Schlaf gerissen sah der Gefängnisaufseher, dass die Zellentüren offen standen. Voller Schrecken zog er sein Schwert und wollte sich töten, denn er dachte, die Gefangenen seien geflohen.
»Tu das nicht!«, rief da Paulus laut. »Wir sind alle hier.« Der Gefängnisaufseher ließ sich ein Licht geben und stürzte in die Zelle, wo er sich zitternd vor Paulus und Silas niederwarf. Dann führte er die beiden hinaus und fragte sie: »Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden?«
»Glaube an den Herrn Jesus, dann werden du und alle, die in deinem Haus leben, gerettet«, erwiderten Paulus und Silas. Sie verkündeten ihm und allen in seinem Haus die rettende Botschaft Gottes.
Der Gefängnisaufseher kümmerte sich noch in derselben Stunde um Paulus und Silas, er reinigte ihre Wunden und ließ sich mit allen, die zu ihm gehörten, umgehend taufen.
Dann führte er sie hinauf in sein Haus und bewirtete sie. Er freute sich zusammen mit allen, die bei ihm lebten, dass sie zum Glauben an Gott gefunden hatten. (Apostelgeschichte 16:16-34)
Gezerrt auf den Platz, öffentlich beschämt, heftig geschlagen, die Kleider vom Leib gerissen, Peitschenhiebe? Wow! Wenn ich das lese, denke ich jetzt nicht mehr, dass Paulus und Silas ein Fest in dem Gefängnis hatten. Und sie hatten auch kein Fenster, denn sie wurden nicht einfach in eine Zelle geworfen, nein, sie wurden in das innerste Gefängnis geworfen, wo kein Licht war. Was denkst du, wenn du diese Geschichte liest, wie sie wörtlich in der Bibel steht? Klingt das immer noch wie die Sonntagsschulgeschichte?
Fängst du an, den Unterschied zu sehen zwischen dem, was mir erzählt wurde, was in meinem Kopf „gepflanzt“ wurde, und wie die wahre Geschichte ist? Wenn ich das so lese, lese ich auf jeden Fall, dass Paulus und Silas Lobgesänge sangen, um Gott zu preisen, aber in vollem Brustton, als ob es fast nichts wäre?
Und das „Also musst du auch allen anderen Menschen von Jesus erzählen, und Gott wird dich immer beschützen!“?
Wenn ich die Geschichte selbst in der Bibel lese, sehe ich wirklich etwas anderes und ganz sicher keine „Kein Problem, wir preisen Gott und alles wird gut“-Stimmung.

Ja, sie wurden aus dem Gefängnis gerettet, aber sie wurden geschlagen, die Peitschenhiebe waren da, die Wunden waren da. Und die Geschichte geht nicht darum, dass Gott dich immer buchstäblich rettet, wenn du buchstäblich im Gefängnis bist. Das ist ein Märchen. Die Bibel selbst erwähnt nicht ausdrücklich, wie Paulus gestorben ist, aber nach christlicher Überlieferung wurde er um das Jahr 64-67 n. Chr. in Rom geköpft während der Christenverfolgung unter Kaiser Nero. Klingt das nach „Gott rettet dich immer, wenn du Ihn preist“?
Warum geht es in der Geschichte dann wirklich? Diese Geschichte ermutigt Gläubige, in schwierigen Zeiten auf Gott zu vertrauen und weiter zu beten und zu loben, denn Gott ist bei ihnen und kann selbst aus dem Leiden etwas Gutes hervorbringen. Durch das Leiden kam Gottes Plan zur Erfüllung.
Paulus und Silas fanden, trotz allem Leid, mit ihren Wunden, im tiefsten Gefängnis (was muss es da gestunken haben), Ruhe in Gott, weil sie Gottes Plan vertrauten, was auch immer mit ihnen passieren würde und wie es auch ausgehen würde. Und in dieser Ruhe / durch diese göttliche Ruhe konnten sie Gott mit Lobpreis und Gebet anrufen. Das ist noch viel mehr als die Sonntagsschulgeschichte! Da steckt noch VIEL mehr Tiefe drin… und diese wahre Geschichte gilt auch noch heute.
Das Märchen, so gut es auch von den damaligen Freiwilligen gemeint war, ist eine Geschichte, die wir irgendwie ziemlich oft bei unseren Klienten sehen, denen es nicht gut geht:
- Gott würde mich doch retten? Das steht doch in der Bibel?
- Gott wird doch alles für mich in Ordnung bringen, wenn ich an Ihn glaube? Das wurde mir gesagt. Oder?
- Ich glaube sehr viel, aber ist mein Glaube jetzt nicht groß genug? Warum hilft Gott mir nicht?
- „Mit Gott wird alles gut“ steht in der Bibel, aber ich sitze im Gefängnis. Entweder ist die Bibel nicht wahr, oder ich bin ein schlechter Christ, der nicht gut genug glaubt.
Siehst du, wo es schief geht? Irgendwie versuchen wir manchmal, Geschichten viel zu sehr zu vereinfachen. Sie sogar zu verschönern. Denn über Leiden, Tod, Sünde, Strafe und Tod wollen wir nicht sprechen… schon gar nicht mit den Kinderseelen. Also erzählen wir… Märchen?
Wir Menschen denken, dass wir es mit dem „Verschönern“ besser machen und mehr Menschen mit der guten Nachricht erreichen. Mehr Menschen wirst du damit auf jeden Fall erreichen, aber das „Nachricht“, die du tatsächlich bringst… ist alles andere als gut. Kurzfristig füllst du die Säle, aber langfristig (wenn wir nicht SEHR gut aufpassen) schaffen wir „laue Christen“, die ihr Haus auf Sand bauen, Milch trinken, kein festes Essen vertragen können, und im schlimmsten Fall an eine falsche Geschichte über einen falschen Gott glauben und damit auch falsche Christen sind… ohne es zu merken. Und wenn der Sturm, das Gefängnis, die Peitsche kommt… fällt alles wie ein Kartenhaus zusammen und LÄUFEN Menschen weg von diesem Gott, der seine Versprechen nicht gehalten hat???
Ich denke, es wird Zeit, dass wir Christen darüber nachdenken. Wie bringen wir die echte gute Nachricht in der Sonntagsschule, in einer Evangelisationsaktion, in einem persönlichen Gespräch? Stimmt es, was wir tun? Denn so wie es jetzt läuft…
Wir sehen in unserer Praxis viele Opfer, durch gut gemeinte Geschichten mit schönen Bildern, die langfristig einen Albtraum schaffen… für immer… wir sehen die Opfer jeden Tag… Irgendwo geht es viel zu oft ganz schief. 🙁
Die wahre Geschichte aus der Bibel ist eine wunderbare Geschichte des Vertrauens auf Gott, von Gottes Plan (auch wenn wir diesen Plan nicht immer verstehen). Sollten wir diese Geschichte in Zukunft erzählen?
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